Hallo an alle, an dieser Stelle möchte ich etwas von meinem Freiwilligendienst berichten. Während ich diese Worte schreibe, denke ich mit unglaublicher Sehnsucht an „meine zweite Heimat“ die ich in diesem Jahr gefunden habe. Aus Unbekannten wurden Kollegen, Freunde und vor allem Familie. Schon vor dem Abflug im Sommer 2018 hatte ich das große Privileg, nicht nur ein sehr prägendes Vorbereitungsseminar zu durchlaufen, sondern durfte meine Vorfreiwilligen, Süd-Nord Freiwillige aus Balanka sowie Koko von Bildung für Balanka an einem Freiwilligentreffen kennen lernen. Ich wurde sehr gut mit Informationen versorgt und wusste im Vergleich zu allen anderen Togo-Freiwilligen schon, wer meine Gastfamilie ist und habe bei allen Problemen und Unsicherheiten Koko kontaktieren können. Trotzdem war es natürlich ein merkwürdiges Gefühl ins Flugzeug zu steigen, für ein Jahr Abschied von Familie und Freunden zu nehmen. Werde ich es schaffen? Werden die Gastfamilie und ich harmonieren? Werde ich das Französisch verstehen? Habe ich alles wichtige eingepackt? Nach drei Wochen Eingewöhnungsphase mit den anderen Freiwilligen ging es dann mit einem Kleinbus nach Balanka. Am Ende der knapp 13-stündigen Reise erwartete mich die wunderbarste Familie die man sich als Gastkind nur wünschen kann. Ich habe zwar alleine in einem Gästehaus bei der Familie gewohnt, wurde aber unglaublich gut in die Familie eingebunden. Meine Brüder und Schwestern im Alter von vier Jahren bis Ende zwanzig (nach meiner Rückkehr ist ein weiteres Kind hinzu gekommen) sind mir alle auf ihre ganz eigene Art ans Herz gewachsen. Egal ob wir spannende Gespräche über Themen wie Kolonialismus geführt, lesen geübt, getanzt oder einfach gespielt haben, von allen wurde ich mit eingebunden. Auch erste Sprachschwierigkeiten durch meine etwas verblassten Französischkenntnisse konnten innerhalb von wenigen Wochen beiseite geräumt werden und man fing an, mir Smal-Talk auf der Sprache Balanka beizubringen. Montags bis Samstags habe ich in der Bibliothek gearbeitet. Zusammen mit einem Bibliothekar und einem togolesischen Freiwilligen. Beide haben mich recht schnell mit dem Verleihsystem und den Aufgaben vertraut gemacht und zur Eingewöhnung erheblich beigetragen. Auch wenn ich davor in Deutschland schon mehrere Jahre in der Schülerbücherei gearbeitet habe, so ist das absolut nicht notwendig. Am wichtigsten ist der Spaß an der Arbeit mit Kindern unterschiedlicher Altersgruppen. Mir stand es nach dem Schulbuchverleih in den ersten Wochen recht offen, was ich an Aufgaben übernehme. Manche Aufgaben, wie die Hilfe bei Hausaufgaben und Lesen üben kamen recht schnell auch auf Wunsch der SchülerInnen zustande. Morgens war es während der Schulzeit recht ruhig, sodass ich in dieser Zeit den Spieletisch aufgeräumt und die Bücher und Spiele repariert habe. Auch das gemeinsame Putzen der Bibliothek stand für uns jeden Montagmorgen an. Nachmittags kamen zunächst jüngere Kinder zum spielen in die Bibliothek, nach Schulschluss auch ältere zum Hausaufgaben machen, lernen und lesen. Da zeitweise recht oft der Strom ausgefallen ist und es jeden Tag gegen 18 Uhr dunkel wird, war die Bibliothek oft der einzige Ort an dem es nach Einbruch der Dunkelheit möglich war, zu lernen und seine Hausaufgaben zu erledigen. Aufgrund der Solaranlage auf dem Dach der Bibliothek haben wir während längeren Stromausfällen auch das Aufladen von Handys gegen eine geringe Gebühr angeboten und somit unter anderem die Anschaffung neuer Schulbücher mitfinanziert. Nach einem Besuch von SchülerInnen und Ingenieure ohne Grenzen im Oktober, arbeiteten meine Kollegen und ich Angebote an Mathe-, Englisch- und Computerkursen aus, welche an die SchülerInnen des Colleges gerichtet waren. Besonders die Englischkurse wurden mit großer Motivation besucht, ebenso wie die Computerkurse für SchülerInnen und LehrerInnen. Denn wie der Direktor des Colleges sagte: „Wer nicht mit dem Computer umgehen kann, ist Analphabet des 21. Jahrhunderts“. Mit meiner gleichalten Gastschwester Samsia (sie näht die coolen, recycelten Konolomtaschen) hatte ich die engste Verbindung. Sie war nicht nur meine Schwester sondern auch meine beste Freundin in Togo. Wir waren zusammen auf Reisen, joggen und sie hat mir unglaublich viel von Balanka gezeigt und mir immer wieder Mut gemacht wenn ich mal gezweifelt habe. Auch meine Gastmütter haben mich mit offenen Armen empfangen, sich gut um mich gekümmert (gerade wenn ich krank war haben sie mich super schnell wieder gesund bekommen) und mir sehr viel beigebracht. Auf Reisen hatte ich spätesten nach zwei Tagen Heimweh nach meiner Gastfamilie und meinen (restlichen) Gastgeschwistern, weshalb ich es zwar interessant fand, etwas von Togo zu sehen und verschieden Städte des Landes kennen zu lernen aber doch am liebsten im Ort geblieben bin. Am Ende des Jahres kannte jedes Kind meinen Namen und ich war nicht mehr die fremde „Yovo“ sondern wurde meinem Namen angesprochen (und natürlich habe ich mit der Zeit auch viele Namen gelernt). Im Laufe des Jahres habe ich natürlich viel über meine Rolle als Freiwillige nachgedacht. Darüber, dass ich im Gegensatz zu allen anderen bedenkenlos ins Krankenhaus gehen konnte da die Kosten im Nachhinein von der Versicherung erstattet werden, dass ich anfangs auf einmal die „Fremde“ war, deren Haare von jedem angefasst wurden und wo manche Babys bei meinem Anblick angefangen haben zu weinen. Auch habe ich gemerkt dass meine Kollegen gerade den jüngeren SchülerInnen die Lernstoffe besser vermitteln konnten, da sie es auf Balanka erklären konnten. Trotzdem würde ich sagen, dass es aus meiner Sicht eine sehr gute Ergänzung zwischen dem togolesischen Freiwilligen und mir gab. Ich bracht neue Spielideen mit ein, er steuerte seine Erfahrungen vom togolesischen Schulsystem bei und letztendlich kam eine bunte Mischung dabei raus. In den letzten Wochen meines Aufenthalts, die Kinder hatten alle Ferien und daher die Bibliothek zum Basteln und Spielen oft besucht, fiel mir der Gedanke schwer, in Kürze einfach so wieder nach Deutschland zurück zu kehren. Ich hatte mich verändert, eine neue Familie, neue Schwestern und Brüder gewonnen. Und gelernt vieles als nicht mehr selbstverständlich zu betrachten. Zugleich habe ich angefangen Dinge in Deutschland zu hinterfragen. Brauchen wir wirklich so viel? Können wir uns nicht ein wenig offener, freundlicher in Deutschland gegenüber unseren Mitmenschen verhalten? Dem Tag des Abschieds ging eine schöne Abschiedsfeier im Kreis meiner Gastfamilie, Kollegen und Freunden voraus. Am Tag selbst wurden die letzten Fotos gemacht, geweint und schon ausgemacht, dass ich spätestens zum Fest Alafia im Jahr 2022 zurück komme. Noch immer denke ich mit Freude an das Jahr zurück und schreibe weiterhin fast täglich mit meinen (Gast-) Geschwistern. Balanka wird für mich immer eine zweite Heimat bleiben. Ich möchte Koko hier auch nochmals dafür danken, dass sie mich in diesem Jahr so gut mit Rat und Tat begleitet hat.