Der Pferdeschwanz in seiner rechten Hand symbolisiert sein Amt als Berater des Dorfchefs; sein Hut und der Kuhschwanz in seiner linken sind Zeichen seiner Tätigkeit als Heiler.
Sahabi Sangani wurde in einem Wald in der Nähe des Dorfes Parampa geboren. Zu dieser Zeit war die europäische Art, Jahre zu zählen, noch nicht verbreitet. Daher weiß er nicht, in welchem Jahr er geboren wurde; er ist vielleicht 65 Jahre alt. Sein Vater hatte nur eine Frau und insgesamt sieben Kinder: drei Mädchen, vier Jungen. Sahabi ist ihr fünftes Kind.
Zur Zeit seiner Geburt flüchteten die Dorfbewohner(innen) in den Wald, wenn Soldaten nach Parampa kamen, da es Misshandlungen und zum Teil grundlose Gewalt gegenüber der Bevölkerung gab. Daher hat Sahabi die ersten Jahre seines Lebens sich versteckend im Wald verbracht und nicht im Dorf. Als er vier Jahre alt war, begann Sahabi, auf dem Feld zu helfen. Aber jedes Jahr zur Zeit des Schulbeginns kamen Fremde aus dem Süden Togos, um Kinder zu fangen und zur Schule zu bringen. Da es diese Schulen jedoch nur im Süden des Landes gab, trennten sie die Kinder von ihren Eltern, wobei sie auch gewalttätig vorgingen. Um diese aufgezwungene Trennung zu vermeiden, versteckten die Dorfbewohner(innen) ihre Kinder jedes Jahr zu dieser Zeit im Wald.
Da es im Dorf keine Schule gab, ist Sahabi nie zur Schule gegangen.
Als Sahabi etwa elf Jahre alt war, schickten ihn seine Eltern zum Geldverdienen nach Nigeria. Er ging mit einer Gruppe von anderen Jugendlichen, geleitet von einem Älteren aus dem Dorf, der Arbeitsplätze kannte. Da es noch keine Autos oder Motorräder gab, lief die Gruppe zu Fuß. Diese Reise dauerte ungefähr einen Monat. In Nigeria arbeiteten die Jugendlichen in Dörfern je 8 Monate lang auf dem Feld. Mit dem verdienten Geld kehrten sie wieder nach Parampa zurück, um es ihren Eltern zu bringen. Nach zwei Monaten zogen sie wieder nach Nigeria los.
Hier könnt ihr die folgend erwähnten, großen Städte, in denen Sahabi in Nigeria arbeitete und lebte, bei Google Maps finden.
In dieser Gruppe ging Sahabi acht Jahre lang nach Nigeria, vor allem in die Region um die Stadt Oyo herum, die sich im Westen Nigerias, unweit von der Grenze zu Benin befindet. Drei Jahre haben sie im Dorf Gbajigbo gearbeitet, in dem Dorf Igo-Olosan zwei Jahre, ein Jahr in Alawusa und schließlich zwei Jahre in Ilorin.
Nach all dieser Zeit trennte sich die Gruppe. Sahabi zog allein in das Dorf Ile-Ifè, wo er in drei aufeinanderfolgenden Jahren auf dem Feld half. Danach beschloss er, in die Stadt Abeokouta zu gehen, wo er ein Jahr lang als Hilfs-Maurer arbeitete. Wieder folgte ein Umzug: Sahabi beschloss, in die Stadt Oyo zu gehen. Dort hatte er keine feste Arbeit, sondern war vielmehr Tagelöhner: Suchten die Bauern aus der Umgebung Hilfe, so ging er mit ihnen; gab es Arbeit in Oyo, so blieb er in der Stadt.
Vier Jahre später starb Sahabis Vater. Daher kehrte er in sein Heimatdorf zurück, Parampa. Dort heiratete Sahabi auch seine erste Frau, mit der er wieder nach Nigeria zog - dieses Mal in die Stadt Ibadan. Dort fand er als Nachtwächter eines Stadtviertels Arbeit. Außerdem begann er hier seine Familie: Seine Frau schenkte ihm seinen ersten Sohn, Aliou.
Vier Jahre nach seiner Ankunft in Ibadan beschloss Sahabi, in das Dorf Ile-Ifè zu gehen, wo er auch schon während seiner früheren Jugend gearbeitet hatte, und wieder auf dem Feld zu helfen. Hier wuchs auch seine Familie weiter: Seine erste Tochter, Nima, wurde geboren.
Damals mussten Frauen drei Jahre Auszeit nach der Geburt eines Kindes nehmen, bevor sie wieder schwanger werden konnten. Begann schon vor dieser Zeit eine Schwangerschaft, gingen sie zu den Dorfälteren, die ihr ein Mittel zur Unterbrechung des Kindeswachstums gaben. Nachdem die drei Jahre Pause vergangen waren, konnte sie zu den Älteren zurückkehren, die ihr ein anderes Mittel zur Weiterführung des Wachstums des Kindes gaben.
Nach drei Jahren in Ile-Ifè kehrte Sahabis Familie wieder in die Stadt Ibadan zurück, wo Sahabi wieder als Nachtwächter arbeitete.
Zu dieser Zeit beschloss die nigerianische Regierung, alle Auswärtigen des Landes zu verweisen. Sahabi glaubt, dass dies eine Reaktion auf einen ähnlichen Beschluss der ghanaischen Regierung war, der ebenso alle Auswärtigen aus Ghana ausschloss. Er erinnert sich, dass die Ghanaer in Nigeria schlecht behandelt wurden, wahrscheinlich als Konsequenz zu dem Beschluss ihrer Regierung: Während für Togolesinnen und Togolesen sowie Angehörige anderer Staaten Busse für die Rückreise in ihr Land organisiert wurden, half keiner den immigrierten Ghanaern bei der Rückkehr in ihr Heimatland. Ihnen wurde nicht einmal Wasser gegeben, wenn sie danach fragten - was normalerweise eine Selbstverständlichkeit ist.
Also kehrte Sahabi mit seiner Familie nach Parampa zurück, wo er bei seiner Mutter wohnte. Mittlerweile war Parampa kein eigenständiges Dorf mehr, sondern Stadtteil des Nachbardorfes Balanka geworden.
Seine Frau wurde erneut schwanger, sodass sie Sahabi bei seiner Rückkehr nach Nigeria ein Jahr später nicht begleiten konnte - die Strapazen der Reise wären für sie zu viel gewesen. Also reiste Sahabi allein. Er arbeitete drei Jahre lang in Ibadan, ohne seine Familie zu sehen, bis seine Frau ihm mit dem jüngsten Kind folgte: Moudah. Die anderen zwei hatte sie in Parampa bei der Familie gelassen.
In Ibadan wohnte Sahabi in einem großen Haus. Eines Tages kam ein Mann, um eine Wohnung für seine Schwester zu suchen. Als sie sich bei einem Bier unterhielten, erzählte dieser Mann Sahabi außerdem, seine Schwester sei frisch geschieden. Wenn sie Sahabi gefalle, solle er um ihre Hand anhalten. Als diese Schwester zu Sahabi zog, hatte sie eine kleine Tochter. Doch sie gefiel ihm, und so hatte Sahabi bald eine zweite Frau.
Zwei Jahre später zog die Familie in das Dorf Igbo-Olos in der Nähe von Oyo um. Hier bekam Sahabi das erste Kind von seiner zweiten Frau: Sikirou. Sahabis Familie zog weiter um in das Dorf Gbajigbo, wo die erste Frau schwanger wurde. Sie kehrte nach Parampa zurück, um dort ihr Kind zu gebären. Moudah, das nun zweit-jüngste Kind, ließ sie dort bei der Familie zurück und kehrte mit der Kleinsten, Mariama, nach Nigeria zurück. Zu der gleichen Zeit wurde das zweite Kind von Sahabis zweiter Frau geboren: Sarafa.
Doch Sahabi fand keine Arbeit in Gbajigbo; er hatte nicht einmal genug Geld, um neue Schuhe zu kaufen. Also entschied er, ein weiteres Mal umzuziehen, dieses Mal nach Ikpakpo. Seine erste Frau weigerte sich jedoch, schon wieder ihre Heimat zu wechseln. Also zog Sahabi nur mit seiner zweiten Frau und ihren Kindern nach Ikpakpo. Seit diesem Tag hat er seine erste Frau nicht wiedergesehen. Er hat nur gehört, sie habe einen anderen Mann geheiratet.
In Ikpakpo hat sich seine Familie dennoch weiter vergrößert: Sahabis zweite Tochter, Sahada, wurde geboren.
Nach sechs Jahren in Ikpakpo sah Sahabi, dass das Geld trotz all seiner Bemühungen und Hoffnungen nicht ausreichte. Nach all den Jahren im Ausland hatte er nicht einmal die Mittel für ein Dach für ein eigenes Haus. Deswegen beschloss er, zu sich nach Hause zurückzukehren, nach Parampa.
Dort lebte er bei seiner Familie mit seiner Frau und seinen Kindern. Doch noch im selben Jahr verließ ihn seine Frau eines Morgens, ohne etwas zu sagen. Sahabi selbst blieb nur ein weiteres Jahr in Parampa, bevor er sich wieder aufmachte, dieses Mal nach Notsé im Süden Togos. Seinen Sohn Sikirou ließ er bei einem Bruder, eine Schwester adoptierte seine Tochter Sahada. Nur Sarafa blieb bei seinem Vater - es sei Gott gewesen, der ihm gesagt hätte, ihn mitzunehmen. In Notsé blieb Sahabi nur ein halbes Jahr, bevor er wieder nach Nigeria zurückzog, dieses Mal in die große Stadt Lagos. Dort arbeitete er als Nachtwächter eines Hauses und eines Viertels. Vielleicht nach vier Jahren, aber auf jeden Fall im Jahr 2000, zog Sahabi ein letztes Mal nach Parampa um, denn selbst in dieser großen Stadt konnte er kaum Geld verdienen. In Parampa ist er Berater des Dorfchefs geworden, ein Ehrenamt mit großer Verantwortung. Der Pferdeschwanz, den Sahabi in seiner rechten Hand auf dem Foto trägt, symbolisiert dieses Amt. Nach einem Jahr begann sein Sohn Sarafa in Parampa die Schule; nach drei Jahren heiratete Sahadi seine dritte Frau. Noch im selben Jahr gebar sie seinen letzten Sohn. 23 Tage nach seiner Geburt - das weiß Sahabi noch genau - kam seine zweite Frau wieder zu ihm zurück, um sich um ihren Sohn Sarafa zu kümmern. 2005 kam seine Tochter Sahada wieder zu ihrem Vater zurück, und ein Jahr später kehrte auch sein Sohn Sikirou wieder zu der Familie zurück. In diesem Jahr baute Sahabi ein Haus für seine Familie.
Seit er wieder nach Parampa zurückgekehrt ist, hat Sahabi bemerkt, dass er zu alt für die Feldarbeit geworden ist. Da er von seinem Vater gelernt hatte, verschiedene Pflanzen zu Heilungszwecken zu nutzen, ist er nun Heiler geworden. Zeichen für diese Tätigkeit sind der Schwanz einer Kuh, den er in der linken Hand auf dem Foto trägt, sowie sein Hut.
Er hat noch nie einen Fuß in ein Krankenhaus gesetzt; er sagt, an dem Tag, an dem er eines betritt, sei er schon tot. Alle seine Kinder sind zu Hause geboren worden. Wenn sie krank werden, sucht er Heilmittel im Wald. Diese gibt es jedoch nicht im Krankenhaus - der Grund, weshalb er dort nicht hingeht.
Sahabi spricht vier Sprachen: Anii (Balanka/Parampa), seine Muttersprache; Ana (Manigiri, Benin) und Kotokoli (Sokodé, Togo), die er von Auswärtigen gelernt hat, die in Parampa bzw. Balanka wohnen; und Yorouba (Nigeria), welches er während seiner Aufenthalte in Nigeria gelernt hat.
Sahabi hat in seinem Leben viel gearbeitet, aber er hatte immer und hat noch immer Geldsorgen. Ansonsten ist er sehr zufrieden, dass er noch immer gesund ist, dass alle seine Kinder mit Gesundheit gesegnet sind und dass es in seiner Familie keine Probleme gibt. Dafür dankt Sahabi Gott.
Foto, Interview, Dokumentation und Übersetzung auf Deutsch: Sarah Zeller
Übersetzung von Anii auf Französisch während des Interviews: Sarafa Sangani