Taibatou Okotan

Ich heiße Taibatou Okotan und bin am 27. August 1976 geboren. Meine Mutter ist die dritte Frau meines Vaters, der insgesamt 14 Kinder hat. Außer mir hat meine Mutter drei Töchter und drei Söhne.

Als ich eineinhalb Jahre alt war, fing ich wie alle anderen Kinder an, zu laufen. Aber mit zwei Jahren hatte ich Fieber und man hat mich ins Krankenhaus gebracht. Dort wurde das Medikament Chinin in mein linkes Bein gespritzt. Während der folgenden Nacht habe ich viel geweint, denn es tat mir sehr weh. So hat meine Mutter die zweite Spritze weggeworfen, die für mein rechtes Bein gedacht war. Und das war meine Chance, denn sonst wäre mein rechtes Bein gelähmt - wie mein linkes Bein.
Nach diesem Vorfall war ich gezwungen, auf allen Vieren zu krabbeln, denn ich konnte nicht mehr auf meinen zwei Beinen laufen. Im Alter von acht Jahren fing ich an, mit einem Stock zu laufen, den ich von einer Tante aus Benin bekommen habe, während sie meine Famile besuchte.

Da ich nun laufen konnte, hat man mich mit neun Jahren in die Schule gebracht. Ich war viel älter als die anderen Schüler, aber das hat mich nicht entmutigt.
In der dritten Klasse musste ich meiner Mutter helfen, „Pâte“ (fester Maisbrei) zu verkaufen. Jeden Morgen sollte ich das Feuer anzünden und am Abend sollte ich ihr helfen, alle Soßen zuzubereiten. Wegen dieser Arbeiten, bin ich in diesem Jahr durchgefallen.
Im folgenden Jahr befreite mich meine Mutter von diesen Arbeiten und habe die Schule normal bis zu der 6. Klasse fortgesetzt. In diesem Schuljahr war eine Schneiderin bei uns im Unterricht und jeden Nachmittag blieb ich bei ihr. Ich habe so viel über die Schneiderei gelernt anstatt für die Schule. So musste ich das zweite und letzte Mal ein Schuljahr wiederholen.

Nachdem ich die Prüfung am Ende der 6. Klasse bestanden hatte, habe ich auf dem Collège (7.-10. Klasse) in Tchamba, der Nachbarstadt Balankas fortgesetzt. Dort wohnte ich bei einer Familie, in der ich nur Abendessen bekommen habe. Um Geld für das Frühstück und das Mittagsessen zu verdienen, half ich einer Frau an den Wochenenden, Pâte zu verkaufen. Und während des muslimischen Fastenmonats Ramadan half ich Leuten aus Sokodé, Salz zu verkaufen. Außerdem waren Festtage sehr nützlich für mich, weil ich beim Haare-Flechten etwas Geld verdiente.
Da ich an den Wochenenden arbeitete, konnte ich während meiner Zeit auf dem Collège nur für die Ferien nach Balanka fahren. Trotz all dieser Schwierigkeiten, hatte ich jedes Jahr Lust, die Schule in Tchamba fortzusetzen.

In der neunten Klasse begann ich eine Beziehung zu einem Jungen. Ich bin schwanger geworden und habe deshalb die Schule abgebrochen. Mein Freund wollte mich heiraten, aber seine Familie hat eine Heirat abgelehnt, als sie mein gelähmtes Bein gesehen hat. So habe ich meine Tochter Richalla entbunden, ohne verheiratet zu sein. Richalla wurde mit einem Kaiserschnitt geboren.
Dann bin ich nach Balanka zu meinen Eltern zurück gekommen, die mich und meine Tochter unterstützt haben. Nach einem Jahr ermutigten mich einige Leute, die Schule fortzusetzen. Aber da es schon schwer für mich war, mich selber in Tchamba zu ernähren, entschied ich mich dafür, in Balanka zu bleiben und eine Ausbildung zur Schneiderin zu beginnen. Meine Meisterin hieß Amina und wir waren sieben Auszubildende bei ihr.
Der Vater von Richalla war immer noch mit mir zusammen, aber als unsere Tochter vier Jahre alt war, hat er eine andere Frau geheiratet. Ich weiß nicht, warum er mich verlassen hat. Aber ich weiß, dass er meine Kinder zwischen zwei Vätern aufgeteilt hat.
Dank Gottes habe ich einen Mann in Balanka gefunden, den ich geheiratet habe. Gott hat ihn zunächst vor mir versteckt, aber also wir uns 2002 getroffen haben, hat Gott seine Liebe nicht versteckt. Im selben Jahr haben wir geheiratet und meine zweite Tochter Azima wurde geboren. Anschließend habe ich meine eigene Schneider-Werkstatt eröffnet.
Sechs Jahre später bekam ich meine Tochter Massouroura und zwei Jahre danach meinen Sohn Ibrahim. Insgesamt habe ich also vier Kinder.

Zur selben Zeit sind die ersten Freiwilligen aus Deutschland nach Balanka gekommen. Manchmal kommen sie zu mir und wir diskutieren zusammen. Alle sind meine unvergesslichen Freunde geworden. Ich danke der Schwester Rouba (Koko, die Initiatorin des Bibliotheksprojekts), denn dank ihr kommen die Deutschen nach Balanka.

Heute bin ich sehr zufrieden mit meiner Situation. Ich hatte Glück und danke Gott für alles, was er für mich getan hat.

Ich wünsche viel Glück für alle Leute in Deutschland und für mich auch!

Interview und Dokumentation: Sarah Zeller
Foto: Joscha Kuhlmann
Übersetzung ins Deutsche: Batinou Moukaila